Category: Lebenshilfe

Der Wink mit dem Staubtuch

Aufräumen, schrubben, Staub wischen können mehrere Aufgaben haben. Zum einen wird die Wohnung angenehm sauber, zum anderen kann es auch ein Prozess sein, in dem sich etwas klärt. In der neuen Ausgabe von »unterwegs« (9-2021) geht es um Putz- und Reinigungstraditionen aller Art.

Vielleicht ist es ein Naturgesetz, dass die Auffassung von Reinlichkeit sich mit jeder Generation abwechselt. Ich für meine Person liebe es ordentlich. Aber mit drei Kindern, einem Hund und einem Mann – der die Meinung vertrat, wenn man der Frau genügend Putzmittel hinstellt, erledigt sich der Rest von allein – gab ich mich oft dem Chaos geschlagen.

Meine Schwiegermutter zog bei einem Besuch auf einmal ihr Staubtuch aus der Handtasche. Ich, halb beleidigt, halb entsetzt, protestierte energisch gegen dessen Einsatz. Sie sah mich bittend an: »Ach weißt du, bei dir sehe ich wenigstens, was ich gemacht habe.« Mir blieb der Mund offen stehen und ich wusste nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll, aber letztlich dachte ich: »Dann tu, was du nicht lassen kannst.«

Erst putzen, dann feiern
Was mich wirklich erstaunte war, dass meine Schwiegermutter jeweils kurz vor Weihnachten und kurz vor Ostern begann, das ganze Haus samt aller Schränke und Schubladen gründlichst zu reinigen. »Warum denn gerade dann, wenn sowieso noch genug anderes zu tun ist?«, fragte ich sie. »Weil ich das Gefühl haben muss, dass alles sauber ist, bevor ich fröhlich feiern und genießen kann«, gab sie zur Antwort.

Ich habe das lange nicht verstanden. Schon gar nicht konnte ich es in einen religiös-rituellen Kontext bringen. Meine Schwiegermutter hatte mit der Kirche nichts zu tun. Erst viel später ahnte ich, dass auf dem Lande, wo sie groß geworden war, solche Traditionen lebendig blieben.

Wenn ich Kummer, Ängste, Streit hatte, begann ich eifrig zu putzen.

Zwei Arten des Putzens
Mit der Zeit stellte ich fest, dass es in meinem Leben auch zwei Arten von Putzen gab: Das Notwendige, um die Wohnung als Lebensraum in Ordnung zu halten. Das Notwendige, um mein Inneres als Lebensraum in Ordnung zu bringen. Immer, wenn ich großen Kummer, Ängste, auch heftigen Streit hatte, begann ich mit einer Eifrigkeit zu putzen, die mein Umfeld verstörte. Mit jedem aufgeräumten Schrank, mit jedem staubgewischten Regal hatte ich das Gefühl, ruhiger zu werden, klarer zu sehen, entspannter über das nachdenken zu können, was mich belastete.

Irgendwann fand ich die Bibelstelle in 2.Mose 30,17 bis 21. Hier gebietet Gott dem Mose, dass er ein Becken aus Bronze gefüllt mit Wasser an den Eingang der Stiftshütte stellen solle. Die Priester sollen »ihre Hände und Füße darin waschen«, bevor sie zum Altar gehen. Manchmal muss ich jetzt daran denken, wenn ich zum Gottesdienst gehe und etliche Spender mit Desinfektionsmitteln passiere.

Ja, äußeres Reinigen und Reinhalten sind durchaus mit unserer inneren Ordnung und Reinheit in Verbindung zu bringen. Dennoch habe ich mich lange nicht dazu durchringen können, vor Weihnachten oder Ostern eine große Putzaktion zu starten. Irgendwie hatte ich übers Jahr so viel »inneren Reinigungsbedarf«, dass ich ohnehin gelegentlich mit Besen und Lappen für neuen Glanz sorgen musste.

Nun, wo ich älter werde, erledige ich den Großputz immer dann, wenn meine Schwiegertochter zu Besuch kommt. Wie schön, dass sie immer zu Weihnachten und zu Ostern kommt. So pfeife ich vor mich hin, denke an meine hilfsbereite Schwiegermutter und sage: »Was für ein schönes Gefühl, alles sauber zu haben, damit ich fröhlich feiern und genießen kann.« Theologie und Praxis – unmittelbarer sind sie kaum zusammen zu haben.

Autorin
Claudia Krenzlin ist Verwaltungsfachangestellte und Autorin. Sie lebt in Leipzig.

Dieser Artikel erschien in dem Kirchenmagazin »unterwegs« (9/2021).

Bremsen am Hamsterrad

Die Corona Krise verändert unsere Gesellschaft. Auch an der Kirche geht dies nicht vorbei. Die neue Ausgabe von »unterwegs« zeigt, wie Gemeinden sich auf die Situation einstellen.

Jetzt sei es so, »als hätte jemand von außen riesige Bremsen ans Hamsterrad gelegt«, erklärt der Soziologe Hartmut Rosa. Tatsächlich scheint die Zeit langsamer zu vergehen, seit viele Termine ausfallen.

Während wir das Hamsterrad als Symbol für eine unaufhaltsame Beschleunigung sehen, aus der wir kaum ausbrechen können, lieben Goldhamster ihre Hamsterräder. Auch wilde Hamster nutzen sie gerne, wenn sie auf der Wiese aufgestellt werden, wie ein Test ergab – ebenso wie wir die Fitnessgeräte, die manchmal in Parks installiert sind. Zurzeit müssen wir jedoch auch auf das Fitness-Studio, den Gymnastikkurs bei der Volkshochschule und den regelmäßigen Sport im Verein verzichten.

Und wie ist es in unserer Kirche? Wir fühlen uns da auch ausgebremst, aber übersehen, dass Menschen derzeit so offen für den Glauben sind wie etwa in der Adventszeit. Mehr Leute als sonst in unsere Kirchen kämen, werden durch Gottes- dienste oder missionarische Veranstaltungen im Internet erreicht. Aber auch vor Ort interessieren sich Nachbarn plötzlich für unsere Kirchen. Anwohner lassen sich berühren durch ein Osterkreuz vor der Tür (Seite 16) und bleiben stehen, wenn sie auf ihrem Weg den Satz »Der Herr ist auferstanden!« entdecken (Seite 24).

Das Hamsterrad ist angehalten. Aber die Nachbarn freuen sich über unsere kreativen Ideen. Lassen Sie sich anregen – und bleiben Sie behütet!

Ihre Iris Hahn

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Die Generation der Kriegskinder

»Damals nach dem Krieg …«

So begannen manche Sätze meiner Eltern. Dann erzählten sie von den Hunger- und Mangeljahren nach 1945. Sie berichteten von den verunsicherten Lehrern in der Schule, die mit einem Mal etwas anderes sagten als noch vor der Kapitulation. Manchmal sprachen die Eltern in leisem Ton von den Sirenen in den Bombennächten und dem Schrecken der Tiefliegerangriffe in den letzten Kriegswochen.

Im Rückblick wird mir klar, dass diese Erinnerungen meist nur im privaten Rahmen geäußert werden konnten. Thema in der Öffentlichkeit waren in meiner Jugend lange alleine die Verbrechen der Nationalsozialisten, die ganze Länder in Europa mit Krieg und Vernichtung überzogen hatten. Heute gestehen wir ein, dass auch viele Kinder in Deutschland damals Schweres erlebt haben. Gut, dass heute darüber gesprochen werden kann.

Der Theologe und Journalist Christoph Fleischmann zeigt in seinem Artikel auf den Seiten 6 und 7 in dieser Ausgabe von „unterwegs“, wie der Krieg das Leben seines Vaters zutiefst geprägt hat. Wie viele Andere aus der Generation der Kriegskinder hat auch er erst im Ruhestand solche Erinnerungen an sich herangelassen.

Der 1. September ist ein Tag, an dem wir daran denken, dass vor bald achtzig Jahren der Zweite Weltkrieg begann. Mit dem Blick auf die Geschichte können wir einfach dankbar sein, schon so lange in Frieden zu leben.

Ihr Michael Putzke

Homosexualität und die EmK

Es ist eine schier unendliche Geschichte: Seit Jahrzehnten wird in der EmK um die Bewertung von Homosexualität gestritten. Wie gehen wir mit homosexuellen Menschen um? Wie mit der „praktizierten“ Homosexualität? Die Kirchenordnung (Verfassung, Lehre und Ordnung, VLO) ist deutlich – zumindest in der englischen Fassung: „Die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche kann die praktizierte Homosexualität nicht gutheißen und betrachtet diese Handlungsweise als unvereinbar mit der christlichen Lehre.“ In der deutschen Fassung ist das etwas verändert: „Eine Mehrheit in der Kirche interpretiert die Bibel so, dass sie die Ausübung der Homosexualität nicht gutheißen kann“ (VLO Art. 161F). Ebenso können praktizierende Homosexuelle nicht ordiniert werden.
Im vergangenen Jahr haben sich in Deutschland drei Initiativen gebildet, die im Grunde alle Positionen innerhalb der EmK abdecken. Bisher ist die Debatte sachlich, aber nicht weniger drängend. Jetzt stehen zwei öffentliche Diskussionsveranstaltungen an, bei denen die Positionen geklärt werden sollen: Am 21. Februar in der EmK Berlin Tegel (Gorkistraße), am 7. März in Frankfurt (Martha-Keller-Haus). Bisher gehe ich davon aus, dass es eine faire Auseinandersetzung sein wird. Ob allerdings mehr als ein Austausch der Positionen dabei herauskommt, ist fraglich.

Denn die einzige Chance, hier weiterzukommen, ist mit Homosexuellen zu reden, anstatt über sie und ihre sexuelle Orientierung. Denn wenn es um Menschen geht, zeigt sich ziemlich schnell, dass viele Argumente in dieser Debatte – auch wenn sie vermeintlich biblisch begründet sind – schlicht menschenverachtend sind. Da ist es auch verständlich, dass viele Homosexuelle sich öffentlichen Diskussionen in der EmK lieber nicht aussetzen wollen. Zu oft haben sie die Erfahrung gemacht, dass sie diffamiert und herabgewürdigt werden.

In der aktuellen »unterwegs«-Ausgabe (3/2015) haben wir das Thema Homosexualität ausführlich aufgegriffen. Die Hefte werden bei den Foren auch verteilt.

Mehr Informationen unter http://www.emk-sozialforum.de/