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Bremsen am Hamsterrad

Die Corona Krise verändert unsere Gesellschaft. Auch an der Kirche geht dies nicht vorbei. Die neue Ausgabe von »unterwegs« zeigt, wie Gemeinden sich auf die Situation einstellen.

Jetzt sei es so, »als hätte jemand von außen riesige Bremsen ans Hamsterrad gelegt«, erklärt der Soziologe Hartmut Rosa. Tatsächlich scheint die Zeit langsamer zu vergehen, seit viele Termine ausfallen.

Während wir das Hamsterrad als Symbol für eine unaufhaltsame Beschleunigung sehen, aus der wir kaum ausbrechen können, lieben Goldhamster ihre Hamsterräder. Auch wilde Hamster nutzen sie gerne, wenn sie auf der Wiese aufgestellt werden, wie ein Test ergab – ebenso wie wir die Fitnessgeräte, die manchmal in Parks installiert sind. Zurzeit müssen wir jedoch auch auf das Fitness-Studio, den Gymnastikkurs bei der Volkshochschule und den regelmäßigen Sport im Verein verzichten.

Und wie ist es in unserer Kirche? Wir fühlen uns da auch ausgebremst, aber übersehen, dass Menschen derzeit so offen für den Glauben sind wie etwa in der Adventszeit. Mehr Leute als sonst in unsere Kirchen kämen, werden durch Gottes- dienste oder missionarische Veranstaltungen im Internet erreicht. Aber auch vor Ort interessieren sich Nachbarn plötzlich für unsere Kirchen. Anwohner lassen sich berühren durch ein Osterkreuz vor der Tür (Seite 16) und bleiben stehen, wenn sie auf ihrem Weg den Satz »Der Herr ist auferstanden!« entdecken (Seite 24).

Das Hamsterrad ist angehalten. Aber die Nachbarn freuen sich über unsere kreativen Ideen. Lassen Sie sich anregen – und bleiben Sie behütet!

Ihre Iris Hahn

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Der Rassismus und die EmK

HawkinBei der Tagung des Bischofsrats der weltweiten EmK hatte ich auch Gelegenheit, mit Erin Hawkins ein Interview über Rassismus in der EmK zu reden. Erin ist Generalsekretärin der »General Commission on Religion and Race«, einer von 13 international tätigen Kommissionen der EmK.

Welche Art von Rassismus gibt es in der EmK?
Erin Hawkins: Wir denken zu wenig darüber nach, was um uns herum in der Gesellschaft geschieht, der wir dienen sollen. Das macht es schwierig, Menschen zu erreichen, die unter Rassismus leiden. Damit kommen wir der Verantwortung, die wir für die Gesellschaft haben, nicht nach. Denn noch immer warten viele Menschen darauf, dass die Kirche sich deutlich gegen Rassismus, gegen Benachteiligung von Flüchtlingen oder zur Not in benachteiligten Städten äußert. Es ist Aufgabe der Kirche, das Evangelium zu allen Menschen zu bringen!

In jüngster Zeit wurden in den USA einige unbewaffnete schwarze Jugendliche von der Polizei erschossen. Ende April kam es in Baltimore deswegen zu gewalttägigen Unruhen. Was bedeutet das für die EmK?
Erin Hawkins: Es gibt derzeit eine breite Protestbewegung, weil sich die Afro-amerikanische Gemeinschaft von Polizei und Justiz drangsaliert fühlt. Die erschossenen Jugendlichen sind da nur die Spitze des alltäglichen Rassismus. Einzelne EmK-Gemeinden unterstützen die friedlichen Protest vor Ort – durch Gebete und Verpflegung, durch Räume für Treffen. Klar ist: Wir müssen unsere Justiz erneuern, damit junge Afro-Amerikaner eine Perspektive für ihr Leben bekommen! Denn die Angst gegenüber dem Staat ist groß und wird dadurch genährt, dass die kaum ein Polizist, der einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen hat, zur Rechenschaft gezogen wird.

Ist dieser Rassismus ein neues Phänomen?
Erin Hawkins: Afro-Amerikaner wurden schon immer von der Polizei unfairer behandelt. Aber der Rassismus war eher unter der Oberfläche. Seit dem Amtsantritt von Barack Obama kommt er mehr und mehr zum Vorschein – obwohl die dachten, dass gerade diese Wahl ein Zeichen für schwindenden Rassismus sei. Aber das Gegenteil ist der Fall: Afro-Amerikaner werden für das gleiche Vergehen meist härter bestraft als Weiße, sie sitzen häufiger im Gefängnis und werden von der Polizei häufiger ohne Grund kontrolliert. Das facht den Zorn natürlich an!

Dann ist es doch eigentlich gut, dass der Rassismus jetzt öffentlich wird …
Erin Hawkins: Beides: Natürlich ist die Diskriminierung von Afro-Amerikanern genauso schrecklich wie die Unruhen, die es es immer wieder gibt. Auf der anderen Seite können Medien und Politik jetzt nicht mehr so tun, als gäbe es Rassismus nicht und als wären die Schwarzen selbst schuld. das Unrecht ist einfach zu offensichtlich!

Was kann die EmK als multiethnische Kirche weltweit gegen Rassismus tun?
Erin Hawkins: Vor Ort kann die EmK unterschiedliche Menschen willkommen heißen, sie zusammenbringen und mit ihnen die Liebe Christi teilen. Sie kann geschützte Räume zur Verfügung stellen, wo über Diskriminierung, aber auch über die Angst vor Fremden geredet werden kann. Unsere Gemeinden können darüber hinaus ein Beispiel sein für gelingendes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Kultur. Gott hat uns alle geschaffen, und zwar gut – so heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Wenn wir das nicht in unseren Gemeinden leben, wie können wir dann erwarten, dass wir die Welt verändern? Wir müssen Beispiel sein!