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»Ich freue mich richtig darauf«

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Nach einem Wahlmarathon wurde Michael Diener am 10. November in den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt. Damit ist erstmals ein amtierender Vorsitzender der Evangelischen Allianz Mitglied des EKD-Leitungsgremiums. Nach seiner Wahl hat Volker Kiemle mit ihm über seine Pläne gesprochen.

 

Sie haben in Ihrer Vorstellung vor der Synode erklärt, sie würden sich im Rat für eine Vertiefung der Einheit der EKD-Gliedkirchen einsetzen. Was ist dazu konkret zu tun?
Michael Diener: Gerade als Pietist weiß ich um die Bedeutung unterschiedlicher Glaubensprofile. Für mich ist es wirklich Reichtum, dass wir in unserem Land lutherische, unierte und reformierte Kirchen und Gemeinden innerhalb der EKD haben, die dann ja auch untereinander nochmals sehr unterschiedlich sind. Ich finde schon, dass der Rat der EKD dazu beitragen kann, dass das Miteinander wertschätzend, voneinander lernend und einander unterstützend erfolgt. Das wird wichtig werden, gerade dann, wenn vielleicht eher »magere Jahre« kommen und auf eine derartige dem biblischen »Leibgedanken« entsprechende Kultur will ich gerne achten.

Welche missionarischen Herausforderungen sehen Sie für die EKD in den kommenden Jahren und wie wollen Sie sich im Rat dafür einsetzen, diesen Herausforderungen zu begegnen?
Michael Diener: Die missionarischen Herausforderungen sind unverkennbar. Wir haben – von der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung bestätigt – einen Traditionsabbruch, was Weitergabe des evangelischen Glaubens im privaten Leben angeht. Wir erleben, gerade auch im Osten unseres Landes, eine weithin säkularisierte Gesellschaft, die nur ein begrenztes Interesse an »klassischen Glaubensthemen« aufweist und für die Institutionen generell nicht besonders vertrauenswürdig sind. Wir begrüßen in diesen Monaten vermehrt Menschen muslimischen Glaubens in unseren Gemeinwesen. Wenn das alles keine Herausforderungen sind?! Hinzu kommt eine immer wieder spürbare Verunsicherung, ob und gegenüber wem denn evangelische Christen überhaupt missionarisch auftreten, leben sollen. Ich glaube schon, dass der Rat der EKD in den kommenden Jahren an diesen Fragen nicht vorbeigehen kann und will. Viele wissen, dass ich das Dokument »christliches Zeugnis in multireligiöser Welt«, welches 2011 vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der Weltweiten Evangelischen Allianz verabschiedet wurde, für einen echten Glücksfall halte. In dieser Breite und Weite ist noch nie zuvor eine »Ethik der Mission« formuliert und verabschiedet worden und ich möchte mich dafür einsetzen, dass wir auf der Grundlage dieses Papiers die missionarischen Herausforderungen auf allen Ebenen unserer Kirche weiterhin und verstärkt wahrnehmen und annehmen.

Wie kann der Rat der EKD die Arbeit an der Basis – in Kirchengemeinden und Werken – unterstützen und stärken?
Michael Diener: Natürlich ist das zuallererst einmal Sache der Landeskirchen und das ist gut so. Aber als 2006 das Impulspapier »Kirche der Freiheit« für Furore in der EKD sorgte, da war ich als Dekan noch gut in landeskirchlichen Strukturen beheimatet und ich habe wahrgenommen, wie – teils auch ungerechtfertigt – dieses Papier für Demotivation an der Basis sorgte. Es ist damals leider nicht gelungen, Haupt- wie Ehrenamtlichen Wertschätzung für ihren Dienst entgegen zu bringen. Gerade Pfarrerinnen und Pfarrer fühlten sich von den Aussagen des Papiers eher gemaßregelt und abgewertet. Und auch wenn ich selbst, aus unterschiedlichen Gründen, »Kirche der Freiheit« bis heute für ein wichtiges und gutes Papier halte, werden kirchliche Strukturreformen, eine gewisse Verökonomisierung von Kirche, aber auch die Installierung von »Leuchtturmprojekten« eher als Abwendung von der gemeindlichen Basis verstanden. Das zeigt, dass auch der Rat mit seinen Stellungnahmen und Entscheidungen nicht unbedeutend ist für die Basisarbeit unserer evangelischen Kirche. Ich glaube, dass wir allesamt gemeinsam darauf achten werden, wie das, was wir sagen und tun, von denen wahrgenommen wird, die das unverwechselbare und unaufgebbare »Gesicht unserer Kirche« an der Basis bilden.

Sie werden als Vertreter des Pietismus wahrgenommen. Wie gehen Sie mit den vielen Erwartungen, die sich mit dem Etikett verbinden, um?
Michael Diener: So wie in all den vergangenen Jahren auch schon. Soll heißen unaufgeregt und sachlich. Ich »spiele nicht Pietist«, ich bin es und deshalb ist das erst einmal etwas ganz Natürliches. Dann achte ich darauf, dass ich andere Menschen nicht schubladisiere und dass andere das nicht mit mir machen – einfach weil es die Begegnungen so entscheidend erschwert, wenn nur noch die Vor-Urteile entscheiden. Und dann versuche ich immer wieder deutlich zu machen, dass es Pietisten mit unterschiedlichsten Profilen gibt. Und dementsprechend gibt es Ablehnung und Zustimmung. Ich möchte Menschen nicht enttäuschen, aber manchmal muss das sein. Andere von einer Täuschung befreien, etwa der, dass es im Pietismus zu vielen Sachfragen nur eine Haltung gäbe. Und ich versuche zu antworten. Ich kann schon behaupten, dass ich auf alle Briefe, Mails, Posts, die nur einigermaßen sachlich bleiben, auch antworte. Ich will hören und lernen. Ich mache Fehler und brauche Korrektur. Also bleibe ich hörbereit und ich will wirklich dienen mit meinen Gaben. Und schließlich lasse ich eine bestimmte Form von Kritik und Ablehnung auch nicht mehr an mich heran und bestimmte Erwartungen auch nicht. Wenn ich in diesen Tagen ernsthaft dazu aufgefordert werde, »endlich den Geist Gottes in die EKD« zu bringen, dann macht mich das einfach nur traurig. Welch eine Anmaßung – welch eine Blindheit gegenüber dem Wirken Gottes – welch ein falsches Verständnis vom Heiligen Geist und welch eine vollkommen falsche Einschätzung meiner Person. Ich komme ja aus der deutschen Schuhstadt Pirmasens: derartige Schuhe ziehe ich mir schon lange nicht mehr an und deshalb bekomme ich auch keine Blasen.

Wie wollen Sie das pietistische und evangelikale Profil im Rat vertreten?
Michael Diener: Im Grunde habe ich mich dazu eben schon geäußert. Ich werde das unaufgeregt und sachlich, im Miteinander und Aufeinander Hören tun.
Nicht als »Programm« oder »Strategie«, sondern als Person. Nicht als Lobbyist für bestimmte Fragen, sondern mit einem tiefen Interesse am weiteren Weg unserer, meiner Kirche. Ich werde das demütig, lernbereit und zugleich klar in meinen eigenen Aussagen tun und hoffentlich, hoffentlich – bei aller Ernsthaftigkeit – auch mit viel Humor. Und ich freue mich richtig, darauf, dass 15 Menschen jetzt für sechs Jahre die Chance haben, miteinander geistlich, menschlich, kirchlich unterwegs zu sein.
Welch ein Vorrecht.

Dr. Michael Diener ist Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes und seit 2011 Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Deutschland.
Foto: Gnadauer Gemeinschaftsverband