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»Als würden meine Augen singen«

Kunst macht etwas sichtbar, was nicht mit Worten zu fassen ist. Das »Cross-Art-Project« der Internationalen Gemeinde in Hamburg zeigt, wie das Kreuz Jesu Menschen bewegt.

»An manchen Sonntagen hätte ich mir die Predigt eigentlich sparen können«, sagt Pastor Edgar Lüken mit Blick auf die Bilder vom Kreuz, die in der Internationalen Gemeinde der Evangelisch-methodistischen Kirche in Hamburg im Corona-Jahr 2020 entstanden sind. Gerade für Menschen mit einem künstlerischen Blick sei das Kreuz durch diese Bilder »lebendiger« geworden, »als Worte es je sagen könnten«. Nach einem Gottesdienst im Sommer 2020, als die Gemeinde wegen Corona nicht singen konnte, blieb eine Frau lange vor einem ausgestellten Bild stehen und meinte schließlich: »Es fühlt sich an, als würden meine Augen singen.«, erinnert sich Edgar Lüken.

Künstlerische Gaben neu entdeckt

Begonnen hat das Kunstprojekt im Frühjahr 2020. Ziel war es, die neubezogene Kirche im Stadtteil Eimsbüttel »ein wenig wohnlicher einzurichten«, sagt Edgar Lüken. Der Plan war es, dass in der Passionszeit Menschen in der Gemeinde Bilder zum Thema Kreuz gestalten. Jeden Sonntag bis Ostern sollten im Gottesdienst fertige Kunstwerke zwischen  Bekanntgaben und Kinderansprache vorgestellt werden. Jeden Sonntag sollte es eine »kleine Vernissage« geben, erinnert sich Edgar Lüken. Aber bevor das erste Kunstwerk enthüllt werden konnte, ging es in den Lockdown. Damit bekam die Aktion in der Passionszeit eine neue Aufgabe: Sie regte an, künstlerische Fertigkeiten auszuprobieren und verband Menschen miteinander. Einige, die seit Jahren keinen Pinsel mehr in der Hand gehalten haben, entdeckten ihre alte Leidenschaft neu, erzählt Lüken. Immer mehr vorbereitete Bilderrahmen wurden angefordert. Per Smartphone fotografierten Viele ihre entstehenden Kunstwerke, schickten diese Bilder an Andere und motivierten sie dazu, es auch zu versuchen. Unterschiedlichste Techniken wurden ausprobiert. Zeit dafür war ja reichlich vorhanden. So wurde aus einem »Deko-Projekt« ein ambitioniertes »Cross-Art-Project«, auf Deutsch ein »Kreuzes-Kunst-Projekt«, erzählt der Pastor, der selber kunstbegeistert ist.

Andächtiges Staunen

Im April ging die Passionszeit durch das quasi ausgefallene Osterfest in die Verlängerung. So wurde auch das Projekt auf unbestimmte Zeit verlängert. Erst im Juli, als die Kirche wieder für Gottesdienste auf Abstand öffnete, wurden die einzelnen Kunstwerke feierlich enthüllt. Die Bilder versetzten die Gemeinde immer wieder in »andächtiges Staunen«, sagt Edgar Lüken. Was für eine Vielfalt an ungeahnten Talenten gab es doch in der Gemeinde und jetzt wurden sie sichtbar!

Edgar Lüken / Michael Putzke

Dieser Artikel erschien in dem Kirchenmagazin »unterwegs« (5/2021).

Cross-Art-Gallerie

Im Glauben verankert

»Ich hatte das Gefühl, dass wir als Menschen durch verschiedene Situationen des Lebens gehen – unabhängig davon, ob dies gut oder schlecht gelingt – sollten wir im Glauben verankert sein. Ich habe die Jahreszeiten gewählt, um diese verschiedenen Umstände ins Bild zu setzen. Dazu hatte ich das Bedürfnis, Gott in Form eines Herzens und anderer Gegenstände darzustellen. Insbesondere das Herz steht für die Liebe Gottes, die in allen Jahreszeiten präsent ist.« Maré Koekemoer, Südafrika

Bis in die Ewigkeit

»Beim Gestalten des Mosaiks mit den roten, weißen und schwarzen Farben war ich mir ständig bewusst, dass Jesu Blut mich von meinen Sünden reinigt. Der Tod Christi am Kreuz wirkt in mein Leben hinein auf ewig. Jesus endete nicht am Kreuz, deshalb reichen die vier Enden meines Kreuzes bis in die Ewigkeit.« Albertina Du Toit, Südafrika

Durch das Verwirrende hindurch

»Seit Jahren male ich keltische Ornamente und freue mich an der Komplexität und Schönheit der symmetrischen Muster. Dabei sind auch immer wieder Kreuze entstanden, von denen ich für das Gemeindebild eins meiner Lieblingskreuze weiterentwickelt habe. Für mich ist es das Kreuz, mitten im Leben verankert, das durch alles zum Teil Verwirrende hindurchscheint, Jesus im Zentrum unseres Lebens, der – hoffentlich – in unserem Leben erkennbar wird.« Frauke Witzel, Deutschland

1200 Nägel und wunde Finger

»Wenn ich an das Kreuz denke, denke ich an die Nägel, die verwendet wurden, um Jesus ans Kreuz zu nageln. Das ließ mich an String-Art denken, eine Kunstform aus Nägeln und Fäden. Das habe ich noch nie gemacht, und es war eine große Fläche, mit der ich anfangen wollte! Der Raum im Inneren des Kreuzes sollte leer bleiben, um zu zeigen, dass Jesus die Kreuzigung überwunden hat. Die Außenseite ist mit Regenbogenfarben und Chaos gefüllt, was das menschliche Leben widerspiegelt. Ich habe das Kreuz in einem geordneten Muster mit Goldfaden umrandet, um einen Kontrast zu dem Chaos außerhalb des Kreuzes zu schaffen. Bei der Herstellung habe ich über 1 200 Nägel verwendet, was mir wunde Finger bescherte! Es war auch ziemlich laut und ich konnte nur während der Schulzeit arbeiten.« Freya Craig, England

Umarmung und Segen

»Das Schild in seiner unveränderten Form ist in Hamburg an allen U-Bahnhöfen am Ende der Bahnsteige aufgestellt. Die Botschaft ist eindeutig: Bis hier hin und nicht weiter! Für mich kamen im Laufe der Jahre immer neue Botschaften hinzu. Mal meinte ich in dem Schild Jesus am Kreuz zu erkennen, mal schien mich die Figur in den Arm nehmen zu wollen oder gar mich zu segnen. Im Halbdunkeln sieht es von weitem aus wie ein Kreuz. Für das Cross-Art Projekt habe ich aus einem, in der Alster gefundenen Straßenschild das Motiv nachgebastelt und nur leicht verändert.« Edgar Lüken, Deutschland

Die Bilder sind in der Ausgabe 5/2021 von »unterwegs« erschienen.