Als Christ in einem deutschen Flüchtlingsheim zu leben, kann gefährlich sein – das zumindest sagen Menschenrechtsorganisationen. Bis zu 40.000 Flüchtlinge, so rechnen sie vor, werden hierzulande regelmäßig Opfer religiös motivierter Gewalt . Das ist eine alarmierende Zahl und es ist gut, wenn Drangsalierungen und Diskriminierungen öffentlich gemacht werden.
Da darf auch die Polizei nichts verschweigen – auch nicht aus Angst, derartige Berichte könnten die Fremdenfeindlichkeit anheizen. Die Kölner Silvesternacht zeigt, dass das ein Eigentor ist. Auf der anderen Seite ist Hysterie nicht angebracht. In Deutschland leben – je nach Berechnung – rund eine Million Flüchtlinge. Überwiegend funktioniert das Zusammenleben, auch unter schwierigen Bedingungen. Bekannt werden naturgemäß Fälle, wo es nicht funktioniert.
Dass die Stimmung in Massenunterkünften auch aggressiv sein kann, verwundert nicht: Langeweile, Langeweile und noch mehr Langeweile, Lautstärke, Enge, fehlende Privatsphäre, keine Möglichkeit, die Traumata der Flucht zu verarbeiten. Dazu die völlige Ungewissheit, wie und wann es weitergehen wird, womöglich noch die Sorge um Angehörige, die in der Heimat geblieben sind. Da genügt schon der kleinste Ärger, und die Lage eskaliert. Schnell werden die Konflikte auf religiöse oder ethnische Ebenen gehoben.
Doch daraus auf eine strukturelle Verfolgung zu schließen, wie es die Autoren der jetzt vorgestellten Studie tun, ist angesichts der dünnen Datenlage zumindest fragwürdig. Zudem ist nicht nachvollziehbar, unter welchen Bedingungen die Daten erhoben wurden. Es ist aber ein Verdienst der Studie, das Thema in die Medien und damit in die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Behörden und Heimleitungen dürfen nicht wegschauen und müssen dafür sorgen, dass alle Minderheiten sicher dort leben können – nicht nur Christen, sondern auch alleinstehende Frauen, Homosexuelle, Kinder. Dazu müssen sie auch genau hinschauen, wer dort die Aufsicht hat und welche Gruppen sich bilden. Das geht nur mit geschultem Personal. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass nur die Personen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen, die minderjährige Flüchtlingen betreuen und beaufsichtigen.
Gefordert sind aber auch wir alle: Nur, wer direkten Kontakt mit den Flüchtlingen vor Ort hat, kann beurteilen, wie es ihnen geht – und sich bei Bedarf auch einmischen. Gleichzeitig funktioniert nur so Integration. Denn wie sollen sich Menschen hier einleben, wenn sie keinen Kontakt zu den Einheimischen haben?
Volker Kiemle