Monthly Archives: Mai 2016

Hinschauen!

Als Christ in einem deutschen Flüchtlingsheim zu leben, kann gefährlich sein – das zumindest sagen Menschenrechtsorganisationen. Bis zu 40.000 Flüchtlinge, so rechnen sie vor, werden hierzulande regelmäßig Opfer religiös motivierter Gewalt . Das ist eine alarmierende Zahl und es ist gut, wenn Drangsalierungen und Diskriminierungen öffentlich gemacht werden.
Da darf auch die Polizei nichts verschweigen – auch nicht aus Angst, derartige Berichte könnten die Fremdenfeindlichkeit anheizen. Die Kölner Silvesternacht zeigt, dass das ein Eigentor ist. Auf der anderen Seite ist Hysterie nicht angebracht. In Deutschland leben – je nach Berechnung – rund eine Million Flüchtlinge. Überwiegend funktioniert das Zusammenleben, auch unter schwierigen Bedingungen. Bekannt werden naturgemäß Fälle, wo es nicht funktioniert.

Dass die Stimmung in Massenunterkünften auch aggressiv sein kann, verwundert nicht: Langeweile, Langeweile und noch mehr Langeweile, Lautstärke, Enge, fehlende Privatsphäre, keine Möglichkeit, die Traumata der Flucht zu verarbeiten. Dazu die völlige Ungewissheit, wie und wann es weitergehen wird, womöglich noch die Sorge um Angehörige, die in der Heimat geblieben sind. Da genügt schon der kleinste Ärger, und die Lage eskaliert. Schnell werden die Konflikte auf religiöse oder ethnische Ebenen gehoben.

Doch daraus auf eine strukturelle Verfolgung zu schließen, wie es die Autoren der jetzt vorgestellten Studie tun, ist angesichts der dünnen Datenlage zumindest fragwürdig. Zudem ist nicht nachvollziehbar, unter welchen Bedingungen die Daten erhoben wurden. Es ist aber ein Verdienst der Studie, das Thema in die Medien und damit in die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Behörden und Heimleitungen dürfen nicht wegschauen und müssen dafür sorgen, dass alle Minderheiten sicher dort leben können – nicht nur Christen, sondern auch alleinstehende Frauen, Homosexuelle, Kinder. Dazu müssen sie auch genau hinschauen, wer dort die Aufsicht hat und welche Gruppen sich bilden. Das geht nur mit geschultem Personal. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass nur die Personen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen, die minderjährige Flüchtlingen betreuen und beaufsichtigen.

Gefordert sind aber auch wir alle: Nur, wer direkten Kontakt mit den Flüchtlingen vor Ort hat, kann beurteilen, wie es ihnen geht – und sich bei Bedarf auch einmischen. Gleichzeitig funktioniert nur so Integration. Denn wie sollen sich Menschen hier einleben, wenn sie keinen Kontakt zu den Einheimischen haben?

Volker Kiemle

Was steckt hinter »Rule 44«?

Bei der Generalkonferenz der EmK, die derzeit in Portland tagt, wird kontrovers über einen Antrag zur Geschäftsordnung debattiert: »Rule 44«. Was steckt eigentlich dahinter?

Rule 44 sieht vor, dass auf Empfehlung eines Ausschusses das Plenum beschließen kann, einen Antrag oder eine Gruppe von Anträgen anders zu behandeln als üblich: Statt die Anträge in einem gesetzgebenden Ausschuss („legislative committee“) vorzuberaten und dann dem Plenum zur weiteren Behandlung vorzulegen, werden die Anträge Kleingruppen zu maximal 15 Personen zum Gespräch vorgelegt. Alle Delegierten gehören einer Kleingruppe an und können so gehört werden. Die Kleingruppen fertigen ein Papier an, dass von jedem Gruppenmitglied durchgesehen und unterzeichnet werden kann. Inhaltlich geht es in den Kleingruppen um Folgendes: Wie zentral ist das Thema des Antrags oder der Anträge hinsichtlich des Auftrags der Kirche? Wie wichtig ist das Thema für die Einheit der Kirche um des Auftrags willen? Welche Stellung nimmt das Thema hinsichtlich unserer Identität als Christen und Angehörige der EmK ein?

Der Gesprächsprozess in den Kleingruppen wird von Beauftragten von der »General Commission on the Status and Role of Women« (COSROW) und der »General Commission on Religion and Race« (GCRR) überwacht, damit niemand benachteiligt wird. Die Ergebnisse der Kleingruppen werden in einer besonderen Gruppe gesichtet und zusammengetragen. Die Gruppe legt dem Plenum eine Empfehlung vor, wie mit dem Antrag oder der Gruppe von Anträgen weiter verfahren werden soll.
Volker Kiemle

Pfingsten? Pfingsten!

Pfingsten ist heute kaum noch als besonders wichtiges Fest in der Kirche erkennbar. Viele nutzen deshalb das verlängerte Wochenende oder gleich die ganzen Pfingstferien im Frühsommer für Ausflüge ins Grüne oder günstigen Urlaub in der Vorsaison. Kein Wunder, dass die Pfingstgottesdienste, auch in der EmK, oft nur spärlich besucht sind. Von einer wirklichen Feststimmung merkt man da kaum etwas.
Auch das Thema »Heiliger Geist« überlassen wir oft lieber den Pfingst-Foto oben: privat lern und Charismatikern. Als Methodisten sind wir eher sachliche Typen, nicht so enthusiastisch und emotional.
Wir verwirklichen unseren Glauben hauptsächlich in der praktischen Nächstenliebe und im sozialen Handeln und nicht mit salbungsvollen Liedern, erhobenen Händen oder besonderen Stimmungen.
Aber sind wir damit nicht in der Gefahr, etwas Wesentliches zu vernachlässigen?
Schließlich wurde den Jüngern damals in Jerusalem unterstellt, sie wären betrunken, da können sie sich also nicht ganz sachlich verhalten haben. Aber genau das war offensichtlich mit die Voraussetzung dafür, dass Menschen zum Glauben gekommen sind und sich das Christentum in der ganzen Welt ausgebreitet hat.
Natürlich wirkt der Heilige Geist nicht nur über unser Gefühl, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Aber umso mehr wäre das Pfingstfest doch ein guter Anlass, sich wieder neu für den Heiligen Geist zu öffnen, um von ihm bewegt und begeistert zu werden.
Volker Seybold ist Pastor in Weinsberg