Monthly Archives: Mai 2015

»Wahrnehmen, was da ist«

Superintendent Stephan RingeisVom 27. bis 31. Mai tagte die Ostdeutsche Jährliche Konferenz in Plauen unter dem Thema »Wegen Inventur geöffnet«. Dabei hatte ich Gelegenheit, mit dem Zwickauer Superintendent Stephan Ringeis über das Konferenzthema und seinen Bericht an die OJK zu reden. Er rät zu einem wertschätzenden Blick auf die Gemeindewirklichkeit – und dazu, die richtigen Fragen zu stellen.

Während allenthalben über den Schwierigkeiten geklagt wird, haben Sie in Ihrem Bericht an die OJK viele Mut machende Beispiele aus Gemeinden genannt. Wie waren da die Reaktionen?
Stephan Ringeis: Mich haben einige Leute angesprochen. Sie haben sehr positiv wahrgenommen, dass in vielen kleinen und auch größeren Gemeinden sehr erfreuliche Dinge geschehen. Die Menschen suchen neue Wege, bringen diakonische Projekte voran und stellen sich anderen Lebensformen.

Ist diesen Gemeinden auch bewusst, dass sie solche besonderen Pfunde haben?
Stephan Ringeis: Das ist unterschiedlich. Ein Großteil der Gemeinden weiß das und nimmt wahr, dass etwas gelungen ist und sie gesegnet sind. Es gibt aber auch Gemeinden, die das nicht wahrnehmen, was Gutes bei Ihnen geschieht. So berichte ich von mehreren Gemeinden, sich einer Gemeindeberatung unterzogen haben. Die haben sich gegenseitig gesagt, was sie an den anderen schätzen – das sorgt für Aha-Erlebnisse. Man sieht eher das, was fehlt, als das, was da ist.

Sie reden auch von den »falschen Fragen«, die wir uns in den Gemeinden oft stellen. Was wären richtige Fragen?
Stephan Ringeis: Wir sollten danach fragen, was uns bis jetzt im Glauben gestärkt hat und was Menschen erreicht hat – auch außerhalb der Kirche. Dabei geht es nicht um Größe, die kleinen Dinge sind oft die Samenkörner dessen, was wachsen kann. Das sollte man pflegen und nicht nach den Sternen greifen und meint, es müsste immer etwas ganz Großes geschehen.

Wie kann diese Pflege gelingen?
Stephan Ringeis: Indem man Inventur macht und dankbar auf das schaut, was da ist. So, wie Paulus,der seinen Brief an die Phlipper mit dem Dank für die Gemeinde beginnt und dann auch dafür betet, dass das weiter wächst. Wir haben immer etwas, und daraus kann etwas werden.

On the road …

In den nächsten Wochen macht die »unterwegs«-Redaktion ihrem Namen alle Ehre: Über Pfingsten findet in Volkenroda das Bundesjugendtreffen der EmK-Jugend statt. Ab 27. Mai tagt in Plauen die Ostdeutsche Jährliche Konferenz (OJK) und in der Woche danach startet der Deutsche Evangelische Kirchentag in Stuttgart. Nach einer kurzen Verschnaufpause (die eigentlich keine ist, denn die »unterwegs«-Produktion läuft ja weiter) beginnt am 17. Juni in Fürth die Tagung der Süddeutschen Jährlichen Konferenz (SJK). Exklusiv zum Gemeindesonntag am 21. Juni wir wieder eine »unterwegs«-Sonderausgabe erscheinen, die während der Tagung produziert wird.

Natürlich werden wir hier, auf Twitter, auf Facebook und auf der Internetseite der EmK laufend über die Tagungen und Veranstaltungen berichten. Also immer schön dranbleiben.

Volker Kiemle

Der Rassismus und die EmK

HawkinBei der Tagung des Bischofsrats der weltweiten EmK hatte ich auch Gelegenheit, mit Erin Hawkins ein Interview über Rassismus in der EmK zu reden. Erin ist Generalsekretärin der »General Commission on Religion and Race«, einer von 13 international tätigen Kommissionen der EmK.

Welche Art von Rassismus gibt es in der EmK?
Erin Hawkins: Wir denken zu wenig darüber nach, was um uns herum in der Gesellschaft geschieht, der wir dienen sollen. Das macht es schwierig, Menschen zu erreichen, die unter Rassismus leiden. Damit kommen wir der Verantwortung, die wir für die Gesellschaft haben, nicht nach. Denn noch immer warten viele Menschen darauf, dass die Kirche sich deutlich gegen Rassismus, gegen Benachteiligung von Flüchtlingen oder zur Not in benachteiligten Städten äußert. Es ist Aufgabe der Kirche, das Evangelium zu allen Menschen zu bringen!

In jüngster Zeit wurden in den USA einige unbewaffnete schwarze Jugendliche von der Polizei erschossen. Ende April kam es in Baltimore deswegen zu gewalttägigen Unruhen. Was bedeutet das für die EmK?
Erin Hawkins: Es gibt derzeit eine breite Protestbewegung, weil sich die Afro-amerikanische Gemeinschaft von Polizei und Justiz drangsaliert fühlt. Die erschossenen Jugendlichen sind da nur die Spitze des alltäglichen Rassismus. Einzelne EmK-Gemeinden unterstützen die friedlichen Protest vor Ort – durch Gebete und Verpflegung, durch Räume für Treffen. Klar ist: Wir müssen unsere Justiz erneuern, damit junge Afro-Amerikaner eine Perspektive für ihr Leben bekommen! Denn die Angst gegenüber dem Staat ist groß und wird dadurch genährt, dass die kaum ein Polizist, der einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen hat, zur Rechenschaft gezogen wird.

Ist dieser Rassismus ein neues Phänomen?
Erin Hawkins: Afro-Amerikaner wurden schon immer von der Polizei unfairer behandelt. Aber der Rassismus war eher unter der Oberfläche. Seit dem Amtsantritt von Barack Obama kommt er mehr und mehr zum Vorschein – obwohl die dachten, dass gerade diese Wahl ein Zeichen für schwindenden Rassismus sei. Aber das Gegenteil ist der Fall: Afro-Amerikaner werden für das gleiche Vergehen meist härter bestraft als Weiße, sie sitzen häufiger im Gefängnis und werden von der Polizei häufiger ohne Grund kontrolliert. Das facht den Zorn natürlich an!

Dann ist es doch eigentlich gut, dass der Rassismus jetzt öffentlich wird …
Erin Hawkins: Beides: Natürlich ist die Diskriminierung von Afro-Amerikanern genauso schrecklich wie die Unruhen, die es es immer wieder gibt. Auf der anderen Seite können Medien und Politik jetzt nicht mehr so tun, als gäbe es Rassismus nicht und als wären die Schwarzen selbst schuld. das Unrecht ist einfach zu offensichtlich!

Was kann die EmK als multiethnische Kirche weltweit gegen Rassismus tun?
Erin Hawkins: Vor Ort kann die EmK unterschiedliche Menschen willkommen heißen, sie zusammenbringen und mit ihnen die Liebe Christi teilen. Sie kann geschützte Räume zur Verfügung stellen, wo über Diskriminierung, aber auch über die Angst vor Fremden geredet werden kann. Unsere Gemeinden können darüber hinaus ein Beispiel sein für gelingendes Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Kultur. Gott hat uns alle geschaffen, und zwar gut – so heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Wenn wir das nicht in unseren Gemeinden leben, wie können wir dann erwarten, dass wir die Welt verändern? Wir müssen Beispiel sein!