Nun hat er sich also entschuldigt: Michael Diener, der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz und Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbands, hat am 28. Januar erklärt, er bedaure “tief gehende Verwerfungen und Irritationen”, die durch seine jüngsten Interviews in der Welt und im Magazin “pro” entstanden seien. Er werde sich als Vorsitzender zurückhaltender und vermittelnder zu in pietistisch-evangelikalen Bewegungen strittigen Fragen äußern. Zugleich appellierte er an die verschiedenen Lager in der evangelikalen Bewegung, “die notwendigen inhaltlichen Diskussionen, gerade auch zu Hermeneutik und Sexualethik weniger personalisiert, sondern sachorientiert führen”.
Was hat Diener getan? Er wandte sich im Interview mit der Welt gegen “Schwulen-Verdammung” und forderte die evangelikale Bewegung dazu auf, selbstkritisch den Umgang mit Homosexuellen zu betrachten.
Diese Aussage rief Ulrich Parzany auf den Plan. Der Übervater der Evangelikalen beschwerte sich in einem offenen Brief bei Diener und lud 65 “bibeltreue” Glaubensgenossen zu einem Treffen, bei dem man sich über das weitere Vorgehen gegen Irrlehren – wozu nach Parzanys Meinung offensichtlich die Anerkennung homosexueller Lebensweise durch die EKD-Kirchen gehört – abstimmen wollte.
Tagelang wurde spekuliert, ob da eine Art Gegen-Allianz entstehen sollte. Das ist nicht eingetreten. Stattdessen wurde ein Kommuniqué verabschiedet, wie evangelisch.de berichtet. Darin werden die zuständigen Gremien des Gnadauer Verbandes und der Deutschen Evangelischen Allianz aufgefordert, zu den Irritationen – also Dieners Aussagen – klärend Stellung zu beziehen.
Das Kommuniqué atmet den Geist eines Tribunals. Zeit-Redakteur Wolfgang Thielmann sprach deshalb treffend von einem “Wächterrat”, der sich da um Parzany formiert habe. Dagegen verbreiteten andere – unter anderem das Medienmagazin “pro” – die Meldung “Evangelikale spalten sich nicht”.
Abgesehen davon, dass sich eine derart inhomogene “Bewegung” überhaupt nicht spalten kann, deuten die heftigen Reaktionen auf einen tiefer sitzenden Konflikt hin. So haben es manche Evangelikale Diener übelgenommen, dass er sich in den Rat der EKD hat wählen lassen. Für diese Leute ist die EKD ein Sündenpfuhl voller Irrlehren. Das aber ausgerechnet Diener, der ja als Vertreter der Evangelikalen gewählt wurde, vorzuwerfen, ist schräg. Denn er hat sich deutlicher zu Fragen der Homosexualität geäußert, als manche es wahrhaben wollen. So stellt er in seinem Bericht an die Gnadauer Synode 2014 fest: “In der gesamten biblischen Überlieferung gibt es keine Aussage, die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzt.” Allerdings forderte damals von seinem Verband, man solle “etwas hörender, etwas verhaltener, etwas demütiger und suchender” sein und weniger apodiktisch. Sein Schlussappell lautete: “Es ist unabdingbar, dass wir bei diesem wichtigen Thema verhältnismäßig und evangeliumsgemäß sprechen und handeln.”
Das heißt: Zur gegenseitigen Liebe sind wir von Christus berufen, nicht zum Richten übereinander. Insofern ehrt es Michael Diener, dass er sich so weitreichend entschuldigt hat. Aber es wirft kein gutes Licht auf jene, die ihn dazu gedrängt haben.
Volker Kiemle