Erntedanktische werden in diesen Tagen geschmückt. Wir danken für eine
gute Ernte und für unser täglich Brot, das es bei uns reichlich und in großer
Vielfalt gibt. Wie aber geht es den Menschen, die in der Landwirtschaft
arbeiten und die Lebensmittel produzieren? Michael Putzke hat zwei Bauern
auf ihren Höfen besucht. Sofort war spürbar: Diese Menschen arbeiten
gerne in der Landwirtschaft, aber es ist ein Beruf, der viel fordert.
Mit einer Hand greift Jens Villnow auf das Förderband und prüft die Weizenkörner:
Keine Spelzen, keine Bruchkörner, Grannen oder Strohreste. Alle Körner sind gleich groß. Der Landwirt nickt zufrieden. So muss das Korn aussehen.
Seit 1999 arbeitet der 58-Jährige in Nordhessen auf einem Hof, der auf Saatgut spezialisiert ist. Im Jahr produziert die Domäne Mittelhof im kurhessischen Bergland auf 275 Hektar Ackerland rund 500 Tonnen Saatgut. Dazu kommen noch weitere 500 Tonnen, die als Futtergerste, Back- und Futterweizen verkauft werden.
Um Getreide als Saatgut verkaufen zu können, muss es zertifiziert werden. Im Feld muss das Getreide sauber aufwachsen. Es geschieht immer wieder, dass alte Samenkörner auf dem Feld liegen bleiben und dann austreiben.
»Die müssen raus«, erklärt Jens Villnow. »Da muss ich durch das Feld gehen und mit der Hand die falschen Pflanzen ausreißen.« Wenn in den Monaten Mai und Juni das Korn gewachsen ist, prüft ein sogenannter »Feldanerkenner« vom Amt für Landwirtschaft, ob die Ähren gleichmäßig gewachsen sind und ob Unkraut im Feld ist. Weiter verfügt der Betrieb über Maschinen, die das Saatgut reinigen und die Körner nach Gewicht sortieren können. Dazu waren Investitionen von 200.000 Euro notwendig. Das Geld muss wieder reinkommen, dafür muss man flexibel sein. Jedes Jahr wird neu entschieden, welche Sorten Getreide angebaut werden. Immer mit der Frage konfrontiert, welche Getreidesorten vom Markt abgefragt werden.
Erntedankfest auf dem Acker mitten im Jahr
Was ist das Schöne am Beruf des Landwirts? »Die Arbeit in und mit der Natur«, sagt Jens Villnow »und der Umgang mit moderner Technik, die sich ständig weiterentwickelt.« Wenn der Boden gepflügt und ordentlich vorbereitet ist, dann kann er mit der Sämaschine aufs Feld. »Jede Bahn muss schnurgerade sein«, hebt der Landwirt hervor. »Jede Bahn ist für mich ein Erlebnis und gibt mir Zufriedenheit.« Dann ist das Korn im Boden und man lässt es wachsen.
Wenn nach zehn Tagen die junge Saat aus dem Boden kommt, »so schmal, spitz und zartgrün«, dann sei das einfach ein tolles Bild. Das sind die schönsten Momente im Leben eines Landwirtes, ein Erntedankfest mitten im Jahr.
Als Landwirt muss man sich ständig anpassen, trotz aller Technik, die es heute gibt. Den Regen könne man nicht bestimmen und den Frost auch nicht. So verzeichnete der Hof im Jahr 2012 über hunderttausend Euro Schaden, weil im Frühjahr sechzig Prozent der Aussaat erfroren ist. Da sei schon im Frühjahr der Verdienst auf der Strecke geblieben.
Der Trend in der Landwirtschaft: Immer größer, mehr und billiger
Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Früher gab es viele Familienbetriebe, die Kühe, Schweine und Hühner hielten und dazu noch Ackerbau betrieben. Jeder hatte alles und war damit nahezu autark. Heute gibt es diese Betriebe kaum noch. Landwirte müssen sich spezialisieren und dafür Risiken eingehen. Horst Käse hatte mit seinem Hof auf Milchkühe gesetzt. Im nordhessischen Ort Uengsterode hielt er einen kleinen Hof mit 30 Kühen.
1979 hat er dann den Schritt gewagt und ist ausgesiedelt.
Außerhalb des Dorfes baute er einen neuen Stall für 60 Kühe. Als der Milchpreis fiel, hatte er zeitweise 80 Tiere im Stall, um die Kosten aufzufangen.
Da standen die Tiere unter Stress und wurden nach und nach krank. Den Gewinn habe er gleich wieder an den Tierarzt weitergeben müssen. »So geht das nicht«, sagte der 60-Jährige entschlossen und reduzierte wieder die Zahl der Milchkühe auf 50, dazu noch Rinder und Nachzucht. Eine Zeit lang konnte der Hof von Horst Käse damit gut leben. Aber der Preis der Milch fiel weiter. Eigentlich braucht es einen Preis von 40 Cent pro Liter, sagt der Landwirt. Irgendwann fiel der Preis auf 20 Cent. »Da habe ich die Milch in die Gülle gekippt.« Der Preiskampf der Discounter, die den Liter Milch für 47 Cent anbieten, bringt Milchbauern in größte Nöte. Im Mai 2016 entschloss sich Horst Käse schweren Herzens, die Milchviehwirtschaft einzustellen.
Jetzt zieht er Kälber auf, die er nach acht, neun Monaten weiterverkauft.
Das Schöne an seinem Beruf sei die Arbeit mit den Tieren, sagt Horst Käse. Von den Milchkühen habe er jedes einzelne Tier gekannt. Und wenn sie heute auf der Weide stehen, könne er die Tiere von weitem unterscheiden.
»Wenn es den Tieren gut geht, geht es mir auch gut«, betont der drahtige Landwirt. Jetzt freut er sich, wenn die Milchkühe kalben und die Milch den Kälbern zugutekommt. Insgesamt hat der Hof zur Zeit 184 Stück Vieh, das auf den Weiden und im Stall steht.
Das Grünfutter produziert Horst Käse auf den 110 Hektar Land selbst; den Tieren schmeckt das Gras eben am besten. So kann es für ihn weitergehen.
Hauptsache, die Preise bleiben stabil. mip