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Die Jährlichen Konferenzen der EmK: Wo alle einander zuhören

Fotograf braucht nicht genannt zu werden

Als langjähriger Leiter des EmK-Bildungswerks kennt Lothar Elsner alle drei Jährlichen Konferenzen der EmK in Deutschland, auch als Vorstand der Bethanien Diakonissen-Stiftung kommt er viel herum. Im Gespräch mit Volker Kiemle wünscht er sich mehr Mut zur Auseinandersetzung in den Konferenzen.

 

 

Wie erleben Sie die Debatten- und Gesprächskultur während der Tagungen der Jährlichen Konferenzen?
Lothar Elsner: Sehr positiv finde ich, dass alle einander zuhören und nicht gleich in Schubladen stecken. Leider greifen nur wenige aktiv ins Geschehen ein, viele – besonders die Laien – hören im Plenum nur zu. Es gelingt den meisten ganz gut, ihr Anliegen ohne sehr lange Rede zu erläutern. Zu vielen Punkten sprechen verständlicherweise nur die mit der Materie vertrauten »Profis« mit vorbereiteten Kommentaren, Veränderungsanträgen.
Längere Debatten entstehen manchmal zu unabsehbaren, oft zu absehbaren Themen, aber immer relativ unvorbereitet mit vielen spontanen Äußerungen.
Das macht das Geschehen zwar lebendig, aber die Qualität der Beiträge ist sehr schwankend, es gibt viele Wiederholungen und dadurch insgesamt keinen deutlichen inhaltlichen Fortschritt, sondern mehr ein Stimmungsbild.

Was hat sich in den Jahren, die Sie als Mitglied Ihrer Jährlichen Konferenz überblicken können, verändert?
Lothar Elsner: Die Polarisierung zwischen inhaltlichen Positionen ist deutlich geringer geworden, ja kaum noch vorhanden. Das hat einen sehr positiven Effekt, weil die Stimmung sehr viel entspannter ist. Es hat aber auch den Effekt, dass sich die Mitglieder weniger vorbereiten und weniger engagiert in die Debatten einbringen. Der Wegfall der ordentlichen Ausschüsse in der Süddeutschen und Norddeutschen Jährlichen Konferenz hat die Beteiligungsmöglichkeiten der Laien insbesondere während der Konferenz-Tagungen verringert, weil Verständnisnachfragen und inhaltliche Diskussionen im Plenum kaum möglich sind. Die Arbeit der Werke stand früher stark in der inhaltlichen Kritik und Auseinandersetzung. Das geschieht heute nur noch, wenn es um Finanzierungsfragen geht.

Was könnte verändert werden?
Lothar Elsner: Ein Plenum mit 200 oder – wie in der Süddeutschen Jährlichen Konferenz – gar 400 Personen sollte meines Erachtens noch mehr vorbereitet werden. Zu den absehbaren Diskussionsthemen – die von den Konferenzgremien vorher identifiziert werden könnten – könnten zum Beispiel zwei bis vier kontroverse Statements vorher angefragt werden. Viele Korrekturen von Vorlagen könnten vorher auf schriftlichem Wege eingereicht werden.

Was kann bei den Konferenztagungen besser werden?
Lothar Elsner: Die Aufgabe, die inhaltliche Ausrichtung von zentralen Diensten und Aktionen und der verschiedenen Werke kritisch zu begleiten und zu diskutieren, nehmen die Jährlichen Konferenzen nur sehr eingeschränkt wahr. Da wünsche ich mir mehr Mut zur Auseinandersetzung und zur öffentlichen Diskussion von Alternativen. Das könnte auch helfen, die innere Verbindung zu diesen Arbeitszweigen zu stärken.

Nicht über die Verfassung

Der islamistische Terror ist in Europa angekommen. Und es hilft nicht, die Verbindung zwischen dem Islam und den Terroristen zu relativieren. Ja, auch im Namen des Gottes der Christen wurde gemordet, vergewaltigt, verschleppt. Kreuzzüge, Religionskriege, Hexen- und Ketzerverfolgung – die Liste der Grausamkeiten ist lang.
Doch in diesen Tagen beruft sich religiös motivierte Gewalt vor allem auf den Koran. Das zur Kenntnis zu nehmen heißt nicht, den Islam insgesamt Foto oben: Alexandra Kratz für den Terror verantwortlich zu machen – und damit alle Muslime und womöglich alle Flüchtlinge unter Verdacht zu stellen. Aber es heißt, dass wir als Gesellschaft den Verantwortlichen für die Ausgestaltung es persönlichen Lebens nach den Regeln des Korans deutlich machen müssen, dass sie in den demokratischen Ländern Europas eine große Aufgabe haben.Wo immer die Religion über unsere Verfassung gestellt werden soll, müssen wir protestieren.

Doch was hilft uns, die wir nun mit einem mulmigen Gefühl die U-Bahn besteigen und alle Männer mit dunkler Hautfarbe und Bart misstrauisch beäugen? Es ist doch diese Angst, die Terroristen erzeugen wollen. Wir Christen sollten auch dagegen angehen, dass der Terror die Gesellschaft durch Schuldzuweisungen, pauschale Verdächtigungen und Hetzkampagnen vergiftet. Aber wir müssen auch deutlich machen, dass es in unserer Gesellschaft unverhandelbare Werte gibt, an die sich alle halten müssen.

Volker Kiemle